09. Mai 2025 - Boris Hakaso
SMR steht für Shingled Magnetic Recording – eine Aufzeichnungstechnologie, die von Festplattenherstellern eingesetzt wird, um mehr Daten auf derselben physischen Fläche unterzubringen. Das klingt zunächst effizient – hat aber gravierende Auswirkungen auf die Struktur der gespeicherten Daten und das Nutzungsverhalten.
Um mehr Speicherdichte zu erreichen, überlappen sich bei SMR-Festplatten die Datenspuren wie Dachziegel – daher der Name „shingled“. Im Gegensatz zu klassischen CMR-Festplatten (Conventional Magnetic Recording), bei denen jede Datenspur für sich steht, ist bei SMR die Schreibspur breiter als die Lesespur. Neue Daten werden beim Schreiben einfach über benachbarte Spuren drübergeschrieben, wodurch ältere Daten benachbarter Spuren teilweise überdeckt werden.
Daraus ergibt sich ein wesentliches Problem: Ein direktes Überschreiben einzelner Datenblöcke ist nicht möglich, ohne dabei benachbarte Spuren – und damit andere Daten – mit zu verändern. Deshalb müssen beim Ändern oder Löschen von Daten ganze Datenblöcke, das sind Regionen („Zonen“) über mehrere Spuren, neu organisiert und umkopiert werden.
mikroskopischer Vergleich von CMR und SMR
Anders als bei CMR, wo Daten relativ gezielt abgelegt werden können, muss bei SMR oft ein ganzer „Ziegelsatz“ neu geschrieben werden, wenn sich auch nur ein Teil davon ändert. Zur Effizienzsteigerungen werden mitunter leere Zonen in anderen Bereichen genutzt um das vorherige Lesen der ursprünglichen Zone einzusparen. Häufig genutzte Dateien, temporäre Schreibvorgänge oder Metadaten werden deshalb nicht an Ort und Stelle aktualisiert, sondern an anderer Stelle neu geschrieben – vergleichbar mit einem Tagebuch, in dem man nichts radieren darf, sondern immer auf der nächsten freien Seite weiterschreibt.
Bei häufiger Nutzung kommt es dadurch neben der logischen Ebene auch auf der physischen zu einer massiven Fragmentierung über große Bereiche der Festplatte, wenn die Firmware versucht, freie Bereiche bestmöglich auszunutzen. Die Folge: Einzelne Dateien oder Dateisysteminformationen können über Dutzende, teils hunderte nicht zusammenhängende Orte verteilt sein. Merklich sinkt in vielen Fällen dann auch die Übertragungsrate der Daten auf ein sehr geringes Niveau.
Damit bei SMR-Festplatten überhaupt noch effizient gelesen und geschrieben werden kann, kommt eine Art „Zwischenmanager“ namens Second-Level Translator (manchmal auch T2 genannt) zum Einsatz.
Er ist Teil der Firmware und führt intern eine Art Übersetzungstabelle darüber, wo welche Daten gerade wirklich liegen – denn durch das Umschreiben ganzer Zonen und die verteilte Ablage sind logische und physische Positionen oft weit auseinander.
Man kann sich den SLT wie ein Inhaltsverzeichnis vorstellen, das ständig aktualisiert wird, um den Überblick zu behalten:
„Datei A sollte eigentlich bei Spur 10 liegen – wurde aber zuletzt nach Spur 210 verschoben.“
Bei häufigen Schreibvorgängen wächst die SLT-Tabelle schnell an und muss selbst regelmäßig reorganisiert werden – was die Fragmentierung weiter verstärken kann. In der Datenrettung sehen wir oft: Fällt der SLT aus oder ist er durch eine Inkonsistenz beschädigt, sind Daten ohne tiefgreifende Analyse kaum noch rekonstruierbar. Erschwerend kommt für die Datenrettung auch noch hinzu, dass der SLT bei einer Formatierung oder Löschung von Daten, ähnlich dem TRIM-Befehl von SSDs, zurückgesetzt wird.
Stell dir zwei Bibliotheken vor:
Bei SMR-Festplatten bedeutet das: Je öfter etwas verändert wird, desto chaotischer wird die interne Organisation der Daten. Für normale Nutzer bleibt das bis auf Geschwindigkeitseinbußen unsichtbar – bis zum Tag, an dem die Platte nicht mehr richtig funktioniert oder Daten gerettet werden müssen. Dann zeigt sich: „Nichts ist mehr da, wo es mal war.“